Mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz hat die Bundesregierung weitreichende Reformen in der Kinder- und Jugendhilfe auf den Weg gebracht. Weshalb dieses wichtige Thema auch nach der Reform nicht in Vergessenheit geraten darf, lesen Sie hier.
Die Kinder- und Jugendhilfe ist eine wichtige Stütze in der Entwicklung junger Menschen. Denn neben dem Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt und anderen Gefahren zielt sie auch darauf ab, die individuelle und soziale Entwicklung zu fördern, Nachteile abzubauen und positive Lebensbedingungen zu schaffen. Hierfür werden Familien auch bei der Erziehung beraten und unterstützt.
Als Freier Demokrat bin ich davon überzeugt, dass wir Kinder und Jugendliche bestmöglich dabei unterstützen müssen, ihre Talente frei zu entfalten. Dies gelingt nur, wenn wir auch denjenigen, die es nicht so einfach haben, echte Chancen geben – sowohl innerhalb der Schule, als auch außerhalb.
Viel zu lange waren Union und SPD in diesem Bereich untätig. Kinder und Jugendliche wurden wie so oft sträflich vernachlässigt. Durch das kürzlich von der Großen Koalition beschlossene Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) und den damit einhergehenden Reformen im Sozialgesetzbuch VIII – der Kinder- und Jugendhilfe – soll sich dies ändern. Und das ist auch dringend nötig. Ziel des KJSG ist es, eine Gesamtzuständigkeit des SGB VIII für alle Kinder und Jugendlichen – ob mit oder ohne Behinderung – zu etablieren. Dieses Ziel ist an sich zu begrüßen. Denn bisher werden Leistungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung im SGB IX geregelt. Und das, obwohl seit Jahren bereits ein „inklusives SGB VIII“ diskutiert wird, damit alle Kinder und Jugendlichen von der Expertise der Kinder- und Jugendhilfe profitieren können. Nicht das Vorhandensein einer Behinderung soll im Vordergrund stehen, sondern das Kind- und Jugendlichersein. Die nun mit dem KJSG geplante Zusammenführung der gewachsenen Strukturen des SGB VIII und des SGB IX bedeuten aber auch weitreichende Veränderungen für die Praxis und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe.
Genau hier droht nun ein Problem. Denn damit die Reform erfolgreich sein kann, müssen die Akteure vor Ort im weiteren Verfahren auch verlässlich unterstützt und begleitet werden. Bekanntlich ist dies jedoch keine Stärke von Union und SPD. Insbesondere an zwei Punkten sehe ich Gefahr in Verzug. Der erste Punkt: Es soll zwar durch das neue Gesetz sogenannte Verfahrenslotsen geben, die während der Übergangszeit von 2024 bis 2028 bei der Zusammenführung der Strukturen und Praxis vor Ort beraten. Deren Tätigkeit wird jedoch auf diese vier Jahre befristet. Angesichts der fachlich anspruchsvollen Aufgabe der Verfahrenslotsen, stellen sich mir die Fragen: Wie leicht wird es für die Kommunen sein, entsprechend qualifizierte Verfahrenslotsen mit einem auf vier Jahre befristeten Jobangebot zu überzeugen? Und: Warum sollten wir die Expertise der Verfahrenslotsen nicht dauerhaft für die Ausgestaltung einer gelebten inklusiven Kinder- und Jugendhilfe nutzen? Aus diesem Grund haben die Freien Demokraten sich dafür stark gemacht, die entsprechende Befristung zu streichen.
Der zweite Punkt: Das inklusive SGB VIII soll ab dem 1. Januar 2028 gelten. Dies soll jedoch nur wirklich passieren, wenn zum 1. Januar 2027 ein Bundesgesetz verabschiedet wurde, das unter anderem die genauen Leistungen des inklusiven SGB VIII regelt. Damit haben Union und SPD sich eine Hintertür gelassen. Denn ohne Bundesgesetz 2027 gibt keine Gesamtzuständigkeit des SGB VIII ab 2028. Solche Hintertüren tragen nicht zu Verlässlichkeit und Planungssicherheit bei. Die Freien Demokraten und ich haben die Sorge, dass zukünftig diese Hintertür genutzt wird und durch die Verzögerung eines entsprechenden Bundesgesetzes auch die Gesamtreform „auf die lange Bank“ geschoben wird. Hier fordern wir Freien Demokraten, dass diese Hintertür geschlossen wird und der Vorbehalt des Bundesgesetzes gestrichen wird. Dadurch hätten alle Akteure einen deutlichen Anreiz, sich pünktlich zu einigen, da das inklusive SGB VIII ohne Wenn und Aber 2028 in Kraft treten würde. Unsere Forderungen haben wir auch in unserem entsprechenden Entschließungsantrag deutlich gemacht: https://dserver.bundestag.de/btd/19/288/1928880.pdf
Doch besonders auch für die Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe vor Ort sind die anstehenden Veränderungen groß. Sie leisten tagtäglich unerlässliche Arbeit und sind motiviert, für alle Kinder und Jugendlichen da zu sein. Mit Blick auf die inklusive Ausgestaltung des SGB VIII ist für mich klar, dass in der nächsten Wahlperiode ein Fokus auf den Menschen liegen muss, die diese Reform am Ende mit Leben füllen. Dies gelingt nur, wenn sie bestmöglich ausgebildet sind und in einem attraktiven Berufsfeld arbeiten und sich weiterentwickeln können. Die Fachkräftegewinnung, die Steigerung der Attraktivität des Berufsfeldes und die Verbesserung der Rahmenbedingungen in Beruf und Ausbildung dürfen daher unter keinen Umständen aus den Augen verloren werden.
Als Freie Demokraten setzen wir uns für tragfähige, unbürokratische und verlässliche Lösungen ein. Wir werden daher den weiteren Verlauf der Umsetzung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes eng begleiten – für die Fachkräfte, für die Eltern und besonders für alle Kinder und Jugendlichen.
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